Donnerstag, 13. Januar 2011

Ode an die Hose


Über Jeans zu reden ist inzwischen banal. Jahrzehntelanges Marketinggeschwätz hat aus den blauen Beinkleidern den letzten Rest Hipness rausgeprügelt und niemand kann den ganzen Quatsch von Rebellion und Unangepasstheit mehr hören. In meiner Kindheit war das noch anders: Meine Eltern sprachen konsequent und verächtlich von Nietenhosen und ich verbrachte meine ersten Lebensjahre deshalb in Cordhosen (die ich sehr liebte ob ihres flauschigen Charakters). Jeans hatten damals noch den Ruf der Working Class Heroes unter den Hosen und es schickte sich nicht, sie am Sonntag zu tragen.

Heute sind die Fußgängerzonen bevölkert von Markenjeans einerseits und den oft seltsam anzusehenden Billigprodukten andererseits mit ihren vielfachen Abstufungen von pseudoverwaschenen Blautönen und kruden Applikationen, Aufdrucken, Rissen etc. Aber auch die Markenprodukte kommen nicht ohne Waschungen und modischen Schnickschnack aus - G-Star-Jeans mit verstärkten Knieapplikationen, die dennoch nach einem halben Jahr kaputt sind, können nur den kranken Hirnen des Vertriebs entsprungen sein.

Seit einiger Zeit gibt es weltweit eine Gegenbewegung, oder besser: eine Rückwärtsbewegung, die mehr Wert legt auf Originalstoffe und klassische Designs als auf modische Augenhöhe. Insbesondere in Japan haben einige Menschen sich sehr enthusiastisch der klassischen Jeans verschrieben und fertigen diese auf den alten, relativ unproduktiven Webstühlen der Vor- und unmittelbaren Nachkriegszeit in kleinen Stückzahlen. Das hat seinen Preis, aber den ist das fertige Produkt wert.
Sollte ich jetzt zu sehr nach Studienrat klingen, der selbst seine Unterhosen mit dem Schlachtruf "Es gibt sie noch, die guten Dinge" beim Nobelversand für überteuerte pseudoantike Produkte ordert, so bitte ich um einen Blick auf diese  Websites, die erkennen lassen, dass man es mit Freaks im positiven Sinn und nicht mit reaktionären besseren Ständen zu tun hat.

Das Bild oben zeigt eine Jeans von  diesem Hersteller. Keine Japaner, aber schöner dicker 14Unzen-Stoff, handgefertigt in Frankreich. Man muss ein wenig suchen nach diesen Jeans, aber wenn man sie findet, sollte man zuschlagen - die Dinger sind im Neuzustand hart wie ein Brett, aber nach ein paar Monaten werden sie zur zweiten Haut inklusive selbstzugefügten (also nicht vorgefertigten) Narben, Verfärbungen und kleinen Beschädigungen. Und dann will man sie gar nicht mehr ausziehen.

Die Königin unter den Denim-Produkten aber ist das hier:


Genäht (oder sollte man sagen: zurechtgebogen und -gesägt?) aus 21 Unzen-Stoff. Das bedeutet, diese Hose ist gut doppelt so dick wie der Prewashed-Schrott, den man beim Nullachtfuffzehn-Dealer bekommt. 

Diese Hose wird mich überleben.


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