Sonntag, 29. Mai 2011

Mattscheibe



Das Erdbeben und der Tsunami in Japan haben immer noch Auswirkungen globalen Ausmasses. Nicht nur die Autoindustrie ist davon betroffen, weil japanische Zulieferer ihre Produktion drosseln oder gar einstellen mussten, auch eine Branche, deren Abhängigkeit von japanischen Produkten nicht ganz so offensichtlich ist, leidet unter den Folgen der Naturkatastrophe: Das Fernsehen. 

Sender und Produzenten haben zur Zeit massive Probleme, Bandmaterial oder Speicherdiscs für ihre Kameras zu bekommen, da der Hauptlieferant - Sony - wegen des Tsunamis ein großes und für die Fertigung zentrales Werk schliessen mußte. Beim WDR klauben sie schon sämtliche Bänder aus den Redaktionen zusammen und der Handel gibt Speicherdiscs an Kameraleute nur noch in begrenzter Stückzahl heraus. Wenn das so weitergeht, droht der vom damaligen Bundeskanzler Schmidt* 1978 propagierte fernsehfreie Tag mit über drei Jahrzehnten Verspätung Wirklichkeit zu werden - mangels neuem Programm.

Das halten viele womöglich für eine gute Nachricht. 


*(Für die Jüngeren: Das ist der coole Qualm-Opa, der immer auf Westerwelle rumhackt)

Montag, 23. Mai 2011

Schlecht gestylter Pop

Der Bart geht gar nicht. Der Pullover erst recht nicht. Die Stimme klingt nach Heulsuse, aber der Song macht alles richtig. Das Video auch. Ansehen und gut finden:

Sonntag, 22. Mai 2011

Fischstäbchen-Blues

Gestern habe ich den Abend mit dieser Frau verbracht:


Gut, ich war nicht alleine mit ihr, aber es war trotzdem sehr nett. Imelda May war in der Stadt, eine adrette junge Dame aus Dublin, die das Publikum mit, nun ja, Neo-Rockabilly (was für ein blödes Etikett!) und einem Hauch Voodoo-Blues für sich einnahm. Ich hatte den Eindruck, die populistischen Rock'n'Roll-Nummern spielt sie nur, weil das Publikum das von ihr erwartet. Ihre stärksten Momente hatte Imelda, wenn sie wie in einem erzprotestantischen Südstaatengottesdienst in Stimmen redete, den Herrn pries und das Böse mit ihrer Bluesstimme bannte. Hier ein kleiner, wenn auch steriler Eindruck aus einer TV-Show:


Frau May unternahm  ihre ersten musikalischen Schritte, indem sie ihre Stimme einer Werbung für Fischstäbchen zur Verfügung stellte. Zum Glück für sie und uns ist sie inzwischen deutlich anspruchsvoller unterwegs, hat ihren soliden irischen Working Class-Background jedoch nicht vergessen. 
Und so gehörte es zu den schönsten Momenten des Konzerts, dass sich am Ende nicht nur das Publikum über einen gelungenen Abend freute, sondern auch die Band. Imelda und ihre Jungs schienen ehrlich begeistert über die positiven Reaktionen. Das war echt, ehrlich und rührend. Schön.

Und außerdem werde ich bei Frauen mit Creolen-Ohrringen prinzipiell komplett willenlos.

Mittwoch, 18. Mai 2011

Weltuntergang vorgezogen?

Am Samstag, den 21. Mai um 18 Uhr wird die Welt untergehen. Oder wie die Amis gewohnt lässig sagen: "Big J. is coming". J wie Jesus. Wäre es in diesem Zusammenhang nicht ein wenig zynisch, müsste man sagen, die Katastrophe sei so sicher wie das Amen in der Kirche - denn das christliche Radionetzwerk familyRadio unter seinem Gründer Harold Camping hat das exakte Datum und die Zeit aus der Bibel, äh, ausgelesen und mahnt nun zur Vorsicht.

Aber Obacht, liebe Sünder: Es hilft nichts, noch schnell ein paar alten Damen über die Straße zu helfen oder den Opferstock zurückzugeben. Alles vergebens, denn es steht schon seit Anbeginn der Zeiten fest, wer gerettet werden wird und wer nicht - nennt es also Armageddon-Lotto. Schließlich ist auch Samstag. 

Wenn der große Weißhaarige da oben also zur Ziehung "Sechs aus sechs Milliarden" oder so ähnlich (genaue Zahlen sind nicht greifbar) ruft, heißt es, gut vorbereitet zu sein. Schuld an dem Schlamassel sind übrigens Schwule und Lesben: "Camping says God will punish America and the rest of the world for Gay Pride and same-sex marriages, just as Sodom and Gomorrah were punished with fire and brimstone in the Old Testament."

Lieber Herr Camping, ich muß gestehen, ich glaube Ihnen kein Wort. Zum einen haben sie schon einmal den Weltuntergang vorhergesehen - das war 1994. Es passierte - nichts. Sodom und Gomorrah erfreuen sich immer noch mindestens so guter Gesundheit wie Villarriba und Villabajo.

Und zum anderen weiß doch jedes Kind, dass der Weltuntergang wie jedes Jahr am 30. Mai stattfindet. 


 
Und außerdem habe ich was Besseres vor.

Montag, 16. Mai 2011

The Return Of Graf Zahl?


Hm, die Älteren unter uns werden sich erinnern: 1987 wurden in der guten alten Bundesrepublik zuletzt die Bürger aufgefordert auf dass sie sich einschreiben ließen, ein jeder in seiner Stadt. Diese Volkszählung mobilisierte die übriggebliebenen Ausläufer der Protestkultur von Anfang der 80er: Sie gaben ihr Bestes, den Orwell'schen Überwachungsstaat mit nur drei Jahren Verspätung als Realität darzustellen. Schon damals mit mäßigem Erfolg.

Dennoch: Die Argumente waren nicht einfach von der Hand zu weisen, denn schließlich gehört es zum Wesen jeder Herrschaft, so viele Informationen wie möglich über die Untertanen zu sammeln, um sie leichter beherrschen zu können. Mißbrauch inbegriffen. Wie sehr dieses Prinzip demokratisch begrenzt und kontrolliert werden muss, ist seitdem ein permanenter Streitpunkt in politikwissenschaftlichen Seminaren - und diverse Datenschutzskandale nicht nur staatlicher Stellen haben das Vertrauen in den ordnungsgemäßen Umgang mit persönlichen Daten schon lange erschüttert.

Nun also wieder Volkszählung. Im Gegensatz zu 1987 läuft das Thema im Moment ein wenig unter "ferner liefen" - nur in einigen westdeutschen Metropolen regt sich zartes Gemurre:


Ich finde, die Plakate haben etwas Anachronistisches - schließlich leben ganze Schüler- und Studentengenerationen bereits bei Facebook, ermitteln ihren sozialen Status über die Anzahl der Netzfreunde und geben freimütig pubertäre Partyfotos oder die genauen Maße der Geschlechtsorgane preis. Businessmenschen tragen bei Xing oder LinkedIn ein, wann sie wo beschäftigt waren und lobhudeln sich selbst ob ihrer soft skills. Und die User des Diddlmaus-Forums geben der werbetreibenden Wirtschaft wertvolle Hinweise über ihre soziale und altersmäßige Struktur und lassen sich in der Fußgängerzone ihre persönlichen Daten für ein paar Gewinnspiel-Glasperlen abschwatzen.
Es dürfte schwierig sein, diese Klientel für einen Boykott der geradezu analogen Form des Datensammelns zu gewinnen.

Auf der anderen Seite scheinen mir auch die Argumente pro Volkszählung so rührend naiv, dass nicht nur Verschwörungstheoretiker dahinter ganz andere, finstere Absichten vermuten könnten. Ich soll demnach wirklich glauben, die Zählung diene dem Ermitteln von nötigen Kindergartenplätzen und Prognosen über das künftige Verkehrsaufkommen? Hmm, im 21. Jahrhundert sollte es dafür auch andere Mittel geben als mich in der Wohnküche mit einem Fragebogen zu löchern...
Und mit den Prognosen ist das so eine Sache: Schließlich ging man in den 50er Jahren auch davon aus, dass wir im Jahre 2000 alle einen Individualhubschrauber mit Protonenantrieb bewegen würden und das Essen in Pillenform gereicht würde.

Was bleibt, ist Mißtrauen - in die Kraft der Proteste und in die Notwendigkeit der Volkszählung.

Dienstag, 10. Mai 2011

Material-Ermüdung

Wie in diesem Post bereits angedeutet, gibt es da draußen eine Menge Schönes aus Metall, mit dem man sich fortbewegen kann. (Ich rede natürlich vom Fahrradfahren.)
Nun ist es nicht so, dass ich kein vernünftiges Zweirad besäße, aber dieses hat schon annähernd zwei Jahrzehnte Einsatz hinter sich und da darf man schon mal über adäquaten Ersatz nachdenken. Besonders, wenn man so etwas entdeckt:

Das war mal ein Vorbau und hielt einen Lenker. Ich bin dem Tode nur knapp entronnen.


Versteht mich nicht falsch, der Columbusrahmen und die Ausstattungsmischung aus Campagnolo und Shimano Jahrgang circa 1990 haben mir stets sehr gute und verlässliche Dienste geleistet. Ich brauche kein Carbon, kein Alu und keine elektrisch gesteuerten Schaltvorgänge. Technische Innovationen haben an einem Fahrrad meiner Meinung nach nichts zu suchen - da bin ich durchaus einer Meinung mit dem Weltverband UCI, der vollkommen willkürlich das Minimalgewicht von Profirädern bei 6,8 Kilogramm eingefroren hat und auch die Rahmengeometrie trotz gegenteiliger ergonomischer Untersuchungen festschreibt. Die Gralshüter und Zweirad-Maschinenstürmer haben Recht. Sonst könnte ich mir auch ein Liegerad kaufen, das Äquivalent zum Brennstoffzellenauto. Vernünftig, aber leider komplett ohne Tradition und nur für American Apparel tragende Silicon-Valley-Geeks interessant.

Alles neu also und dann doch wieder nicht?

Nein, das alte Fahrrrad wird nicht entsorgt, es wird nur umgebaut zum immer noch ästhetisch anzusehenden Cityflitzer. Neuer Vorbau, neue Bremsen, neuer gerader Lenker - und schwupps! bestehe ich jeden Check der Stylepolizei.

Jetzt fehlt nur ein adäquates SPORTgerät. Auch hier selbstredend im traditionellen Stil: Chrom statt Carbon. Wartet's ab!

Montag, 9. Mai 2011

Befreit

Während wir gestern den Muttertag feierten, jährte sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 66. Mal. Aus diesem Anlaß eine kleine akustische Erinnerung daran, wie schmissig die Amerikaner Ihre Propaganda zu verpacken wußten - oder, wie die Andrew Sister in diesem Stück so schön singen: "...to change that 'Heil!' to 'Give me some skin!"' Schon deshalb dürfen wir dankbar sein, besetzt worden zu sein. Und natürlich aus 1 Million anderen Gründen:



Die Russen feiern den Sieg über Deutschland übrigens erst heute, dieser Post kommt also nicht wirklich einen Tag zu spät.

Plutonium Pants

Die Atomhose ist da! 



Wieder mal bretthart beim Auspacken, aber dafür wunderschön:


Ein alter Webstuhl, wie er bei den Flat Head-Eignern steht, schafft pro Tag nur ca. 50 Meter Jeansstoffproduktion. Für eine Jeans braucht man gut drei Meter Stoff - die Tagesproduktion ist deshalb gering und entspricht eher einer Manufaktur als einer Fabrik.



Samstag, 7. Mai 2011

Bayern

Frühling in Bayern - irgendwie bunter als woanders. 


Und wenn man genau hinsieht, entdeckt man in der blühenden Landschaft auch technische Schönheiten, die noch lange nicht verblüht sind.







Mittwoch, 4. Mai 2011

Gute Schuhe

Vernünftiges Schuhwerk kann man ja nie genug haben:



Monatelang bin ich drumherum geschlichen, solange, bis sie ausverkauft waren. Dann entdeckte ich sie in einer finsteren Ecke der Stadt. In meiner Größe. Und man akzeptiere Kreditkarten, versicherte die proppere Verkäuferin. Ein Zeichen des Himmels, das mich alle finanziellen Bedenken in den Wind schlagen ließ. 
Nennt mich Imelda Marcos.

Dienstag, 3. Mai 2011

Post Punk

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Ein paar Vertreter des Post Punk, die in meinen Augen auch nach gut 30 (!) Jahren noch frisch klingen. Der Grund dürfte in den relativ kühlen, abstrakten Arrangements und dem nüchternen, splitternden Sound liegen. Diese Spielart des Punk halte ich für ungleich kreativer als das berechtigte, aber doch recht simple No Future-Spielchen der ersten Punkgeneration, das dann von hunderten Generationen von Fußgängerzonenpunks auf ewig mißverstanden in bierseliges Schnorrertum umgemünzt wurde und im berüchtigten Fun Punk endete.

Also denn - how Punk (maybe) really happened:

1. Damaged Goods - Gang Of Four:
Leeds, Nordengland, Marxismus, Dekonstruktion. POP.



2. Verschwende Deine Jugend - D.A.F.:
Wovor die Eltern immer gewarnt haben. Zwei Jungs im Leder-Schwuchtel-Look geben die Dolce-Vita-Diktatoren.


3. Nice - Kleenex:
Auch die Schweiz kann modern. Reduzierte Show, reduzierte Instrumentierung, komplexe Aussage. Gabs auch als Coverversion von Stephan Eicher.


4. Anticipation - Delta 5:
Nochmal Leeds. Nochmal Frauen. Nochmal Art-School-Sozialismus. Tadellose Haltung, zeitloser Sound.



Wen's interessiert: Hier gibt es mehr Infos.

Montag, 2. Mai 2011

History repeating

Breaking News: Ausländisches staatliches Killerkommando operiert auf dem Boden eines souveränen Staates auf eigene Rechnung und ermordet unliebsamen Zeitgenossen.

So geschehen ausgerechnet am 11. September. Allerdings 1978.

Sonntag, 1. Mai 2011

Beastie Boys Revisited

Dass weißer HipHop funktioniert und sogar Spaß machen kann, bewiesen vor gut 25 Jahren  die Beastie Boys mit "Fight For Your Right To Party". Das Video war stilbildend für so manchen Partyabend und auch mit ihren späteren Werken bewiesen die BB Sinn für Klasse und Stil - man denke nur an "Sabotage" mit seinem 70er-Jahre-Cop-Schnurrbart-Action-Plot.

Inzwischen sind die drei New Yorker Jungs Mitte 40 und wie das in diesem Alter so ist, sind die wirklich wilden Zeiten vorbei. Die Haare werden langsam dünner, die Teenage-Wut ist längst verraucht und man kämpft für eine gute Rentenversicherung, nicht für gute Partys.  Die neue Platte (meinetwegen auch: Download) der Tick, Trick und Track des HipHop soll daher ziemlich langweilig sein. ABER: Sie haben dazu auch noch einen halbstündigen Film gedreht. Und der ist so, wie "Fight For Your Right" anno 86 auch war - überdreht, lautstark, lustig. Alles Dinge, die man im HipHop nur noch selten findet - da geht es ja nur um die härteste Hood, die schamlosesten Chicks und die lächerlichsten Luxuskarren. Gähn. Die alten Beasties sind da immer noch um Längen besser, denn im Gegensatz zu den schwarzen Protzbrüdern und Berliner Ghettoposern verfügen sie über eine seltene Eigenschaft: Selbstironie.

Hier der Teaser zum Film, in dem die drei Helden noch nicht mal auftauchen (!):