Samstag, 29. Dezember 2012

Die Charts 2012

Tempus fugit, Teil 2012.

Gut:
Fahrrad des Jahres: Schweizer Ordonnanzfahrrad 05.
23 Kilo Zuverlässigkeit.

Konzert des Jahres: Ray Collins' Hot Club.
Wo andere Bands aufhören, fangen sie erst richtig an.

Auto des Jahres: Mercedes Benz W123 TD 300.
Immer noch. Aber der Golf schlug sich auch wacker.

Hot Rod-Veranstaltung des Jahres: Headbanging Finsterwalde.
Alte Autos, alte Freunde. Klassiker. Gruß an Arild und die Boys im Feuerwehr-Transit.

Altstadt des Jahres: Albenga/Italien.
Neuentdeckt nach über zehn Jahren.

Herrenausstatter des Jahres: Uwe van Afferden.
Ein Diktator mit Kampfhund. Beide freundlich, aber eigen.

Autojumble des Jahres: Lipsheim/Frankreich.
Psst, immer noch Geheimtipp für Autos und alte Möbelstücke.

Werkstatt des Jahres: Autosport Ameglio, Imperia/Italien.
Die Rallyefahrer vom Flussufer. Das wahre Italien, inklusive Espresso.

Single des Jahres: "Hurricane" MS MR.
Viel Hall, viel Pathos.


Schlecht:
Steuernachzahlung des Jahres: So spät, dass man es schon vergessen hatte. Aber Gevatter Schäuble holt sie sich alle. Und dann kam noch die Kfz-Steuer für den Benz...

Fussball-EM: Tiki-Taka-Fussball bis zum Erbrechen. The End Of Football As We Knew It.

Fernsehprogramm: Ich kenne keinen Redakteur, Cutter, Kameramann, Producer, der gerne (deutsches) TV guckt. Nuff said.

Facebook: Wer sich einmal in den kryptischen Formulierungen auf den sogenannten "Hilfe"-Seiten verheddert hat, weiß: Facebook is evil.

Prokastination: Muße muss sein, aber auch in diesem Jahr hielt sie mich das eine ums andere Mal davon ab, Dinge zu tun, die längst hätten getan werden müssen. Staubsaugen. Steuererklärung. Ölwechsel. Weltherrschaft erobern.

Sportunterricht und Nachtleben: Beides Indikatoren für den eigenen körperlichen Verfall. Und Auslöser von Sätzen, die mit "Früher, da konnte ich noch..." beginnen.


Mittel:
Ungewollte Komplimente: Ohne Androhung von Repressalien freiwillig auf 38 geschätzt zu werden lässt die eigenen Defizite (siehe oben) vergessen.

Steuerrecht: Übernachtungen auf der Urlaubsfahrt mit Recherche-Tätigkeit zu verbinden entlastet das Reisebudget.

Krankenhausaufenthalte: Endeten in diesem Jahr immer frühzeitig und nach maximal drei Stunden. Also alles richtig gemacht.

Donnerstag, 27. Dezember 2012

Wüsten-Truck.


Winterzeit, Bastelzeit. Jetzt sitzt man gerne nächtelang am Tisch und fummelt sich im Maßstab 1:35 zum Beispiel in die Wärme der libyschen Wüste. 

Fast jedes Jahr um diese Zeit nehme ich mir einen Bausatz vor und verbringe damit lange Abende - ich weiß, damit bin ich durchaus ein Fall für "Deutschland sucht den Super-Nerd", aber ich genieße diese völlig zweckfreie Tätigkeit zur Erstellung von Staubfängern stets sehr. Es geht nicht um das Ergebnis, um Anerkennung oder Lob - es geht darum, sich detailliert in ein Thema einzugraben, sich in einem Prozeß zu verlieren und die eigenen Fähigkeiten in einem komplett unnützen Bereich zu verbessern.

Hier also ein kleiner Zwischenbericht zum Chevrolet 30 cwt 4 x 2 General Service Truck in den Diensten der britischen Spezialeinheit Long Range Desert Group. Die Besatzung ist noch im Bau - und dann muss ich mir noch überlegen, wie ich eine Miniatur-Wüstenlandschaft hinkriege...



Mittwoch, 26. Dezember 2012

Jingle Bell.


Frohe Festtage, Herrschaften!  
Mir hat der Weihnachtsmann (das Christkind, der Coca-Cola-Truck...) eine formschöne Messingklingel für das antike Velociped gebracht. Und die Erkenntnis, dass man Weihnachtslieder nur sehr schwer gurgeln kann.

Donnerstag, 15. November 2012

Chinesische Schönheit.


 

Ich bin ein simpel gestrickter Zeit-Genosse, genetisch bedingt. Männer neigen ja zu seltsamen Spielzeugen, deren Größe oder Kompliziertheit mit dem Alter zwar zunimmt, die aber stets Ausdruck einer kindlichen Freude am Mechanischen sind. Ohne diese Tatsache gäbe es keine Supersportwagen, keine Kinderwagen mit Scheibenbremsen und keine Baumärkte. Und keine mechanischen Uhren.


Eine solche habe ich mir gegönnt. Es geht etwas sehr Befriedigendes von altmodischen Uhren aus, die im Gegensatz zu ihren Quarzbrüdern noch die Aura des handwerklichen Könnens ausstrahlen und im Akt des Aufziehens den Besitzer jeden Tag aufs Neue mit seiner Uhr verbinden. Ich habe nichts gegen Quarzuhren, einige meiner besten Freunde sind Quarzuhren!, aber das Pflegeverhältnis reduziert sich bei diesen nun mal auf den Batterietausch alle fünf Jahre. How boring.


Eine Seagull 1963, der erste Chronograph "Made in China", damals exklusiv für die Chinesische Luftwaffe gebaut. Mein Exemplar ist natürlich nicht von 1963, sondern eine aktuelle Neuauflage. Ein Schaltradkaliber treibt diese Pilotenuhr an – ein Nachbau des Schweizer Venus 175-Werk. Die beiden Drücker für die Stoppfunktion sind – ebenso wie die Zeiger – gebläut und lassen sich butterweich bewegen. Das Blau in Verbindung mit dem roten Stoppzeiger und den goldenen Zifferblattmarken ergibt eine relativ bunte Uhr, aber der Look gefällt mir sehr gut und hat so gar nichts kirmeshaftes. Jede überladene Breitling kommt peinlicher daher. Bessere Kenner der Materie als ich versichern mir zudem, die Seagull sei eine sehr robuste und ehrliche Uhr mit einem zuverlässigen Uhrwerk. Na dann. Und teuer war sie auch nicht.

Sehr schön auch die Rückseite:


Ich hätte sie auch mit einem Glasboden kaufen können, aber ich finde Glasböden immer etwas prätentiös und außerdem ist der Stahlboden näher am Original.

 

Sonntag, 11. November 2012

Die Erfinder des Techno.

Wer in den Achtziger Jahren des 20.Jahrhunderts schon alt genug war, um die "Hanni und Nanni"-Hörspiele hinter sich gelassen zu haben, der erinnert sich an Fraktus. Eine Band, die ihrer Zeit weit voraus war - ihre Songs dienen noch heute vielen Technoproduzenten als Inspiration. Die Elektrokombo aus Brunsbüttel hatte 1983 einen denkwürdigen Auftritt in der damaligen Dienstagabend-Pflichtsendung "Formel Eins" und galt neben Kraftwerk als größte Hoffnung der deutschen Popmusik:


Die Band brillierte mit minimalistischen Arrangements, den damals üblichen zeitgenössischen "No Future"-Lyrics und innovativen Instrumenten wie dem elektrischen Dudelsack, dem Rhythmusroboter "Beater" oder der legendären Lichtmangel. Im oben zu sehenden Stück erkennt man auch bereits das Drum-Motiv, das wenige Monate später von einer gänzlich unbekannten Band namens New Order in der Maxisingle "Blue Monday" verarbeitet und zu einem Riesenhit umgemodelt wurde. 

Dieses kleine Detail ist besonders interessant, spiegelt sich darin doch die ganze Tragik von Fraktus: Den großen Erfolg hatten immer andere. Jetzt läuft im Kino die Dokumentation "Fraktus", die die Geschichte der Band erzählt und die Hauptakteure zu Wort kommen lässt - späte Genugtuung für die drei Pop-Pioniere aus dem Norden. 

Angucken und die Popgeschichte neu bewerten!

Freitag, 19. Oktober 2012

Abwärts.

Quelle: DWDL

Gute Nachrichten zum Wochenende: Das Böse verliert manchmal eben doch. Und sei es an Auflage.

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Abschied von gestern.

1982: Als die Zukunft noch silber war.
Ich möchte mein Leben aufräumen. Mich von Ballast befreien und Überflüssiges loswerden. Liegt wohl am Alter. Aber keine Angst, ich werde nun nicht in Schwitzhütten nach dem Sinn vonnet Janze suchen und ich werde auch nicht Buddhist, Scientologe oder Christ. Und bei den Mormonen und Moslems gefällt mir nicht, dass sie was gegen Alkohol haben.

Nein, man soll ja mit den kleinen Dingen anfangen. Den Müll runterbringen, die Sanifair-Gutscheine von den Autobahnraststätten endlich einlösen - oder seine CD-Sammlung digitalisieren. Schließlich nehmen die silbernen Tonträger ziemlich viel Platz weg in meiner bescheidenen Hütte und intensive statistische Analysen haben ergeben, dass ich seit dem Erwerb eines iPods nur ungefähr dreieinhalb Minuten jährlich eine CD in den letzten im Haushalt verbliebenen Player einlege. Download rules okay, inzwischen auch bei mir. Deshalb habe ich beschlossen, die ganzen Bits und Bytes via iTunes auf einer externen Festplatte zu speichern und den physisch neu gewonnen Platz anderweitig zu nutzen. Dort könnten dann zum Beispiel meine Platten stehen, die ich selbstredend NIE verkaufen werde. (Ein Veräußern der Vinylschätze wäre in etwa so, als würde man mir die Erinnerung an die Pubertät nehmen ...vielleicht doch keine schlechte Idee?).

Anyway, die Silberlinge sind zum Abschuss freigegeben. Aber wenn ich ehrlich bin, beschleicht mich beim Digitalisieren doch ein seltsam nagendes, unwohles Gefühl. Im Herzen bin ich ja ein mechanischer Mensch und sämtliche digitalen Medien (insbesondere wenn sie von einem Herrn Jobs verantwortet werden/wurden) geniessen mein allertiefstes Misstrauen. Denn: Stromausfälle, Feuersbrünste, Datenverlust, der Iwan kommt - kann alles passieren. Sollte die Hütte hier abfackeln, könnte ich die CDs zur Not hustend mit mir drei Treppen hinunter schleppen (was praktisch andererseits undurchführbar wäre, weil meine Arme schon mit den wichtigsten LPs voll ausgelastet wären), an eine Festplatte würde ich im Notfall nie im Leben denken.

Trotz all dieser Zweifel habe ich nun angefangen, die gesamte, bei mir auf kompakter Scheibe vorhandene Musikgeschichte seit der letzten Eiszeit in das Reich des Apfels zu überführen. Das Schöne dabei: Man entdeckt viele gute Werke und Songs wieder. Den Doppel-CD-Sampler "Down To The Promised Land - Five Years Of Bloodshot Records" habe ich schon seit 2003 nicht mehr gehört, ebenso Burning Spear, Red Star Belgrade oder die Raubkopie einer Culture-CD, die ich einst auf Barbados beim Schwarzbrenner (no pun intended!) meines Vertrauens erwarb. Der frühe Elvis taucht wieder auf, Northern Soul erlebt ein ganz persönliches Revival und alte Fugazi-Kracher begeistern mich ebenso aufs Neue wie das Gesamtwerk der Aeronauten. Kurz: Allerhand Obskures erhebt die musikalische Stimme - und ich wanke schon wieder, ob ich derartige Schätze wirklich meistbietend an MOMOX und Co verscherbeln soll. 

Falls ich es tue, kaufe ich mir vom Erlös ein paar heiße Scheiben.



Montag, 15. Oktober 2012

Altersmilde?


Wenn ich mir die - zugegebenerweise: recht überschaubaren - Posts der letzten Zeit in diesem Blog so ansehe, dann fällt mir auf, dass ich mich schon lange nicht mehr aufgeregt habe. Dabei rauche ich gar keine HB.

Mein neuerdings friedliebendes Blog-Gemüt ist unter klicktechnischen Aspekten übrigens durchaus kontraproduktiv. Die Statistik beweist nämlich, dass ich meine größten Erfolge mit Beiträgen eingefahren habe, in denen ich mich wut- und wortgewaltig bemühte, dem tagtäglichen Irrsinn eine schriftliche Ausdrucksform zu geben: Korrupte Bundespräsidenten, unfähige Servicekräfte, lautstarke Nachbarn, miefige Kleinstädte - all das scheint bei den Lesern und Leseretten als Thema durchaus anzukommen.

Ich schneide mir also ins eigene Erfolgsfleisch (wenn man denn Erfolg so definieren möchte), seit ich auf der Blumenwiese des Lebens nicht nur die Stinkmorcheln, sondern auch die hübschen Gewächse entdeckte.


Dabei gäbe es genug der Erstgenannten, die meinen heiligen Zorn verdient hätten. Ich könnte beispielsweise den Alternativ-Sarrazin geben und mich über die populistischen Themen a la mode ereifern: Warum ein Innenminister via Springerpresse das wenig beneidenswerte Schicksal mazedonischer und serbischer Sinti und Roma als nur wenig verschleiertes Anti-Ausländer-Thema ausruft und mal wieder "Das Boot ist voll!" raunt. Warum ein Umweltminister mir weismachen möchte, der Strompreis müsse eben weiter steigen, aber bitteschön nur für mich und nicht etwa für die Aluminiumindustrie. Auf die Idee, den Atomverbrechern ein bißchen ihrer Milliardengewinne abzunehmen, kommt dieser Mensch nicht, der übrigens aussieht wie eine Kreuzung aus Helmut Kohl und dem späten Dieter Krebs als Sketch-Charakter. 

Ich könnte mich trefflich ereifern über Markus Lanz im Trikot von Fortuna Düsseldorf (Argh!), Lance Armstrong als Totengräber des Radsports oder über den Deppen, der meine Garage zuparkt und dann einfach verschwindet. Oder über Urteile zur Beschneidung von Kindern, die mich daran zweifeln lassen, ob zweihundert-und-ein-paar Jahre Aufklärung wirklich stattgefunden haben.

Tue ich aber nicht, und ich weiß jetzt auch, wieso: Die Idioten sind leider in der Überzahl.

Samstag, 13. Oktober 2012

è pericoloso sporgersi.

Nein, gefährlich war es nicht. Trotz Tapiren, Geckos, zweier Affen, Bussarden, Hähnen und Hühnern. 2700 Kilometer durch vier Länder, Destination Lungomare.


Deutschland als graues Autobahnband, Frankreich als kulinarischer Zwischenstopp, die Schweiz wie gewohnt im Eisenbahnmaßstab 1:87 und einem nebeligen Gotthard-Pass (SELBSTVERSTÄNDLICH sind wir oben rüber und nicht durch den Tunnel!), Italien im Herbst mit 27 Grad und Regenschirme verkaufenden illegalen Strandhändlern. Wir in Badekleidung, den angebotenen Daunenjacken (!) verständnislos entgegenblickend vor dem nächsten kühlenden Gang ins Meer.

Die Kosten dieses partiell surrealen Vergnügens? Ein neuer Keilriemen, 85 Euro beim netten rallyefahrenden Werkstatt-Trupp am Flußufer, inklusive Vorzugsbehandlung und V.I.P.-Kaffee: Buon Giornata!  Ansonsten - Eindrücke, Kultur, Mückenstiche, sympathische Menschen und finstre genuesische Gassen. Nein, Schuhe habe ich nicht gekauft, trotz eines verwirrend vielfältigen Angebots:


Aber hochwertige Rasierprodukte und Schreibutensilien. Und natürlich Wein und Köstlichkeiten. Die gab es auch im ligurischen Teilzeit-Heim mitten im Olivenhain, dessen Zufahrt so steil war, dass der großstadtverwöhnte Mittelklasse-PKW sich nun offiziell Off-Roader nennen darf und stolz ein paar Schrammen an der Frontschürze als Andenken mit nach Hause bringt.

Leute, fahrt nach Italien, lernt, zu leben, bei Rot über die Ampel zu gehen und rechts zu überholen!




Samstag, 29. September 2012

Pause.


Bin mal eben für 336 Stunden bei der Olivenernte. Solange unterhält sie das restliche Internet. Demnächst läuft hier wieder das normale Programm.

Donnerstag, 27. September 2012

Schwerlastverkehr.

Ich war ein paar Tage außer Landes. Ich habe gut gegessen und schlecht geschlafen in einem benachbarten Land mit gefühlten 1.876 Käsesorten. Und ich habe ein Fahrrad gekauft, aus einem anderen Land mit gefühlten 1.876 Berggipfeln.



Ich erwähnte es bereits an anderer Stelle - das schweizerische Militärvelo (Bauzeit in nahezu unveränderter Form: 1905 bis 1988) ist der Unimog unter den Fahrrädern: Nicht schnittig, aber robust. So ein Velo lief mir nun vor das ausgabenbereite Portemonnaie, mit dem Baujahr 1941 über siebzig Jahre alt, doch in gutem und funktionsfähigem Zustand. Quasi mit Vollausstattung: Drei (!) Bremsen, Werkzeugset in der Ledertasche, funktionierendes Speichenschloss mit Schlüssel. Und der Preis war ein Witz.

Das Velo hat eine Hinterrad-Trommelbremse, damit die schwer beladenen Angehörigen der Schweizer Radfahrertruppen bei der Abfahrt von den steilen Gipfeln der alpinen Welt auch rechtzeitig wieder zum Stehen kamen. Wie die schwer beladenen Angehörigen der Schweizer Radfahrertruppen allerdings die steilen Gipfel der alpinen Welt mit diesem 23 Kilogramm schweren Velociped ohne Gangschaltung erklimmen konnten, wird mir für immer ein Rätsel bleiben.

Dienstag, 11. September 2012

Budenzauber aus dem Hotkoffer.

Zu Günter Discher kam ich über John Peel. Die DJ-Legende spielte Ende der 90er im britischen Armeesender BFBS mehrere Stücke aus dem Sampler "Budenzauber", einer streng subjektiven Auswahl von Swingstücken, die eben dieser Günter Discher zusammengestellt hatte. Peel sprach den mit harten Konsonanten durchsetzten deutschen Titel der Compilation sehr weich und unmilitärisch aus: "Buudensaubär" - und erwies damit Discher eine Referenz, die ihm bestimmt gefallen hat.

Günter Discher gehörte zur Hamburger Swing-Jugend der 30er Jahre: Junge, eitle Schnösel mit Sinn für Stil, vergleichsweise langen Haaren und einem Faible für die "entartete Neger-Musik", die in der durchfomierten Volksgemeinschaft der Nazis keinen Platz haben sollte. Die Helden der Swing Kids hießen Count Basie, Duke Ellington oder Benny Goodman.  

"Swingmusik war Freiheit - grenzenlose Freiheit", so zitiert die Plattenfirma Ceraton Günter Discher, und diese Freiheit war in Deutschland damals verdächtig. 1942 wurde Discher verhaftet und blieb bis zum Kriegsende in einem Jugend-KZ, weil er "durch sein zersetzendes und staatsabträgliches Treiben erhebliche Unruhe in die Bevölkerung" trage. 

In einer Zeit von Marschmusik, gebellten Parteitagsreden und einer durchgehenden Militarisierung der ganzen Gesellschaft war Swing und der damit verbundene, als wild und gefährlich empfundene Individualismus eine Bedrohung für die braunen Dumpfbacken. Was nur beweist, wie verwundbar (und deshalb besonders gefährlich) eine Regierung war, die vor der Macht der Noten Angst hatte. Die Begründung für das Vorgehen gegen Swing war allerdings nicht politisch, sondern - natürlich - rassistisch: „Und nun stellen wir uns vor, daß zu dieser Musik deutsche Menschen, gesunde deutsche Mädel und Burschen nicht nur der Großstädte, sondern auch der kleineren Gemeinden schieben und schieben und sich dessen nicht bewusst werden, daß sie sich damit den körperlichen Bewegungsimpulsen jener uns artfremden, rassisch und undefinierbaren Menschenmasse angleichen." Max Merz, 1940.

 
Günter Discher widmete auch nach dem Krieg der Musik seines Herzens die volle Aufmerksamkeit: Mühevoll baute er seine verlorene Plattensammlung wieder auf, die am Ende gut 25.000 Schellack-Schätze enthielt. Und er verbreitet das Evangelium des Swing: Als "Deutschlands ältester DJ" legte er überall dort auf, wo seine Musik willkommen war, brachte seine eigene CD-Serie heraus und wurde zum gefragten Zeitzeugen eines anderen, besseren Deutschlands. Am letzten Samstag war er erneut unterwegs in Sachen "Hotkoffer" (so nannte er den mobilen Plattenspieler, der ihm in den 30er Jahren als Soundsystem diente), und wieder animierte er sein Publikum mit den Worten: "Es darf getanzt werden! Ich bitte sie aber, nicht das Mobiliar zu zerstören."

In der Nacht zum Sonntag ist Günter Discher mit 87 Jahren gestorben.


Donnerstag, 30. August 2012

I Smell Winter.

Kragen aus echtem Schaffell und Wollfutter: Schöne, richtig dicke und warme B 10 Replica von den Pike Brothers. Der Winter kann kommen.






Schöne Details. Leider war das Lederband am Talon-Zipper sehr dünn und billig wirkend, deshalb habe ich es durch ein stabileres Lederbändchen ersetzt. Ich überlege, die Jacke ein wenig zu customizen: Der USAAF-Patch wurde mitgeliefert, das zweite Abzeichen ist ein Original.

Die B-10 im Einsatz:

Donnerstag, 16. August 2012

16.8.1977


Heute vor 35 Jahren fiel der King vom Thron. Ich esse heute ein frittiertes Erdnussbutter-Bananen-Sandwich. In memoriam.

Mittwoch, 1. August 2012

Bomber Boys.

Dieses Video hat mich gerade davon abgehalten, ins Bett zu gehen. "Bomber Boys" ist eine Dokumentation der BBC über das Bomber Command, das im 2. Weltkrieg den Krieg, den die Deutschen entfesselt hatten, nach Deutschland zurückbrachte. Die Doku wird präsentiert von Ewan McGregor und seinem Bruder Colin - eine Art Mini-"Band Of Brothers". Sie schildern die Schicksale der Bomberbesatzungen, die manchmal erst 18 Jahre alt waren und noch kein Auto gefahren hatten (oder gar eine Frau geküsst hatten), bevor man sie zu Herrschern über viermotorige Kriegsmaschinen machte, mit denen sie bei ihren Einsätzen bis zu zwölf Stunden in der Luft waren.

Erstaunt hat mich unter anderem, wie pathosfrei und kritisch mit der eigenen Vergangenheit die Doku umgeht: Hier wird nicht nur platt ein Heldenlied gesungen, sondern hier nähern sich zwei junge Briten dem Thema auf ganz persönliche und unbefangene Art und Weise. Colin McGregor ist selbst Pilot und lernt im Verlauf der Sendung das Fliegen auf altem Gerät bis hin zur Lancaster, dem Standardbomber der britischen Luftwaffe bei ihren Einsätzen über Deutschland. Aber es bleibt nicht bei militärischem Schulterklopfen unter technisch interessierten Flugzeugbegeisterten, die McEwans reisen auch nach Hamburg, um sich mit zivilen Opfern der Operation "Ghomorra", dem verheerenden Angriff auf die Stadt im Juli 1943, zu treffen und der Frage nachzugehen, ob die Strategie des "Area Bombing" den Krieg verkürzen half - und moralisch gerechtfertigt war.

Kurz: Eine großartige Doku, die dem Thema sehr gerecht wird - und ganz nebenbei zeigt, wie gutes Fernsehen geht.


Freitag, 27. Juli 2012

Nachtflug.


Es ist 00.12 Uhr, der Kolumnist hat seinen Text heute spät geschickt, aber ich hätte es pünktlich geschafft, seine wie immer pointenfunkelnden Zeilen vor der Geisterstunde auf der Website zu platzieren, wenn - ja, wenn nicht das Internet kaputt gegangen wäre. Kein Zugriff möglich, Seite down.

Da sitzt man dann vor zwei glimmenden Rechnern, gleichberechtigt starren einen Windows und Apple an und senden im Gleichtakt ihre Fehlermeldung. Erwähnte ich schon, dass es in der Küche noch gut 25 Grad Celsius warm ist und der Schritt auf den Balkon keine Linderung bringt, da dort 26 Grad Celsius herrschen? Ein schwacher Trost, dass die Fledermäuse durchs Dunkel sausen und reiche Beute machen. Ein schwacher Trost auch, dass das dritte Bier immer noch wirklich gut schmeckt. Es ist eben eine dieser Nächte, in der man die Hitze nur wegtrinken kann - und doch nicht betrunken wird.

Wahrscheinlich besser so, schließlich geht die Welt ja unter. Oder zumindest die Website.

Freitag, 20. Juli 2012

Ein Gebrauchtwagen für 35 Millionen Dollar.

Ein Ferrari 250 GTO gehört nicht zu den seltensten Autos der Welt. Immerhin 39 Stück wurden gebaut. Aber er gehört zu den begehrtesten Autos der Welt. Und falls Ihr Euch fragt, was die alten Hippies von Pink Floyd eigentlich mit der ganzen Kohle gemacht haben, die Ihr Ihnen für "The Wall" und andere Verbrechen in den Rachen geworfen habt - nun, Nick Mason, Pink Floyd-Drummer, fährt einen 250 GTO. Zu seiner Ehrenrettung sei gesagt, dass er a) ein echter Enthusiast und kein Spekulant ist und b) den Wagen schon recht lange besitzt - so lange, dass der 12-Zylinder nicht allzu teuer gewesen sein kann.


Das ist heute anders. Gerade ging in den Staaten ein 1962er GTO für coole 35 Millionen Dollar weg. Der Wagen wurde einst für Stirling Moss aufgebaut, aber bevor der beste Rennfahrer, der nie Weltmeister wurde, das Gerät in Betrieb nehmen konnte, hatte er Ostern 1962 einen schweren Unfall, der seine Karriere beenden sollte. In Le Mans im selben Jahr kam "75722 MO" zwar zum Einsatz, sah die Ziellinie jedoch nicht. Doch im Geschäft mit den noblen Oldies von gestern geht es nicht nur um Siege, sondern um Geschichte an sich - ein "Did not finish" macht das Ganze fast noch interessanter.

Ich habe mich übrigens mal am Nürburgring mit einem Mechaniker unterhalten, der einen 250 GTO für einen wohlhabenden britischen Besitzer betreut. Auf meine Frage, was man denn beachten müsse, wenn man so ein Auto fahre, antwortete er: "Immer schön das Öl warm fahren." Darauf entgegnete ich, ein 250 GTO unterscheide sich also gar nicht großartig von meinem Mini Cooper


"Im Prinzip nicht", war die Antwort. "Aber im Ferrari musst Du erst mal 12 Liter Öl warm kriegen!"

Donnerstag, 19. Juli 2012

Weite Reise.

Die Weiße Flotte der Köln-Düsseldorfer Rheinschifffahrt ist auf dem Rhein zuständig für den Transport älterer Mitbürger mit ausgeprägtem Hang zu Schunkeltum und Weinseligkeit. Eine sehr deutsche Einrichtung, die nach Schiffsdiesel und Resopal duftet und nicht nach der großen weiten Welt. Dachte ich bis jetzt, aber dann entdeckte ich im Hafen die "Heinrich Heine" - und bei genauerem Hinsehen ist der Ausflugsdampfer ein gelungenes Beispiel der fortschreitenden Globalisierung. Die hat mit der großen weiten Welt alter Schule natürlich nichts zu tun und erzeugt im Allgemeinen Unwohlsein, Ablehnung und Armut. Aber das ist ein anders Thema. 

Auf dem Rhein bei Düsseldorf jedenfalls schippert die "Heinrich Heine" munter auf den graubraunen Wellen und am Heck flattert keck die stolze Flagge mit dem weißen Malteserkreuz auf rotem Grund.


Moment, wieso Malteserkreuz? Und warum nennt die Aufschrift "Valletta" als Heimathafen, wo ich das Schiff doch nahezu jeden Tag im Angeberparadies des Medienhafens sichte? Ich bin ja ein großer Freund des kleinen Archipels südlich von Sizilien und La Valletta ist eine tolle Stadt mit einem ebensolchen Hafen...


...aber die "Heinrich Heine" habe ich dort noch nie entdeckt. Nur die "Karol Wojtyla", einen katholischen Seelenverkäufer, der wahrscheinlich Weihrauch schmuggelt.


Aber zurück zur "Heinrich Heine". Die Fahne mit dem Kreuz hat natürlich wirtschaftliche Gründe: Das Schiff ist seit einiger Zeit aus steuerlichen Gründen in Malta registriert, was die lokale Presse zu misstrauischen Anfragen bei der KD veranlasste. Globalisierung rules, selbst bei maritimer Aussengastronomie mit Weinzwang. Angeblich wird die Besatzung nach deutschen Standards bezahlt, aber wer weiß - vielleicht fragen demnächst freundliche Philippinos die ergrauten Binnenschifffahrtsfreunde an Bord, ob der Riesling auch wohltemperiert ist.

Und wenn ich mal wieder in La Valletta bin, halte ich Ausschau nach der "Heinrich Heine". Obwohl ich bezweifele, dass das Schiff das Mittelmeer bezwingen könnte...