Sonntag, 6. Februar 2011

Der dunkle Grenzbezirk (4)



Mühsam komme ich zu mir. Irgendetwas hat mich geweckt. Fußgetrappel auf der Straße, rennende Menschen, laut redend. Redend? Sie brüllen. Jetzt bin ich ganz da, schaue auf den Wecker: 2.45 Uhr.
Draußen: Hysterisch kreischende Frauen und aggressive Männchen im gewalttätigen Balzritual. "Du hast meine Frau angemacht, Du Spast!" - (hohe Mädchenstimme: "Marcus, Du BLUTEST!!") - "Lass mich in Ruhe, Du Pisser!" undsoweiterundsofort.

Sie kloppen sich und für einen Moment überlege ich, die Bullen zu rufen. Weniger wegen meinem Nachtschlaf als wegen der Möglichkeit, dass sich die Testosteron-Jugend im Kampf nicht an die Grenzen des guten Geschmacks und der sportiven Fairness hält. Beruhigend: Gerade klingt es nach Schulhofprügelei, nicht nach Ultimate Fighting. Ich liege immer noch im Bett, aber die Szene spielt sich direkt unter meinen Schlafzimmerfenster ab - so bekomme ich einen erstklassigen akustischen Eindruck vom Geschehen.

Ich beschliesse, den Dingen ihren Lauf zu lassen, und in der Tat ebbt die Geräuschkulisse langsam ab. Vielleicht sind die Herren auch zu betrunken für einen längeren Zwist. Die Damen keischen noch ein paar mal und der offenbar Unterlegene Marcus füllt die Nacht mit Verwünschungen und genaueren Beschreibungen des Bildungsniveaus seines Kontrahenten.

Dann herrscht wieder Sonntagsruhe. Der Wecker zeigt 3.12 Uhr.

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