Mittwoch, 8. Juni 2011

Alltägliche Amnesie



Beim Abwasch informiert mich das Radio, die NATO habe ihre Luftangriffe auf Tripolis verstärkt. Beim Surfen im Netz entdecke ich auf einer Nachrichtenseite im hinteren (oder netzspezifisch besser: unteren) Bereich den Hinweis, die Kernschmelze im japanischen Fukushima sei stärker gewesen als bis jetzt vermutet und vom Betreiber Tepco zugegeben. Jede dieser beiden Meldungen ist geeignet, ganze Heerscharen von Feuilletonschreibern und politischen Kommentatoren über Monate zu beschäftigen, ganz zu schweigen von Atomkraftexperten, Spezialisten für den Maghreb und Historikern, die das Geschehen seriös aufbereiten könnten. Welche Konsequenzen haben die Luftangriffe für die Menschen in Libyen, die Herrn Gaddafi wahlweise als Staatschef behalten (aus welchen Gründen auch immer) oder ihn loswerden wollen? Was ist los im verstrahlten Umkreis von Fukushima? Ich warte auf Hintergrundinformationen und Einordnungen.

Doch nichts davon geschieht. Ich wasche weiter ab und surfe anschließend weiter zu Youtube. 

Das Tagesgeschehen in Deutschland ist bestimmt von einer Krankheit, der bis jetzt 24 Menschen zum Opfer gefallen sind. Das sind ohne Zweifel 24 zuviel, entspricht aber in etwa der wöchentlichen Verkehrstotenrate einer durchschnittlich großen westlichen Gesellschaft. Trotzdem werden weiter Autos verkauft und gefahren, während erst die spanische Gurkenindustrie Pleite geht und anschließend Erzeuger und Verkäufer von Sprossen mit Biowaffenherstellern auf eine Stufe gestellt werden. Das Virus verbreitet sich dennoch weiter. Und in Tripolis sterben ebenso Menschen durch Bomben wie in Japan durch atomare Strahlung.

Das Geschirr ist blitzsauber.

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