Freitag, 25. Januar 2013

Wie ich im Fernsehen einmal das Schlimmste verhinderte.


Der 25. Januar 1993 war ein Montag. Ich saß in der brandneuen Regie 1 des Sendezentrums und war ein wenig nervös. Damit war ich nicht alleine, denn auch der Programmdirektor war nervös. Und der Ablaufregisseur, der Bildmischer, der Nachrichten-CvD und der Ministerpräsident. Seit Monaten war der Probebetrieb gelaufen, es waren Piloten gedreht worden und Live-Proben von Studiosendungen waren über die Bühne gegangen. Leitungen wurden gelegt, Scheinwerfer justiert, Vorspann-Musiken komponiert. Menschen waren eingestellt worden, ein Logo wurde entwickelt und eine Anzeigen- und Trailerkampagne lief an.

Und jetzt war es soweit: Aus dem ehemaligen "Westschienenkanal", dem politischen Lieblingsobjekt der Landesregierung und des Bertelsmann-Konzerns, wurde ein richtiger Sender: Vox. Am 25. Januar 1993, Punkt 17 Uhr, hatte ich den wichtigsten Job im ganzen Sender: Ich bediente den Teleprompter, von dem Programmdirektor Ruprecht Eser die wohlfeilen Worte ablas, mit denen er ein Millionenpublikum zu begrüßen hoffte: "Guten Abend. Wir sind die Neuen auf Ihrem Bildschirm. Wir heißen Vox. Das ist lateinisch und heißt 'Die Stimme'. Sie kommt aus Köln, da ist Vox zu Hause." (Die Millionen Zuschauer waren allerdings gerade woanders und das sollte auch in den nächsten Monaten so bleiben. Aber das ist eine andere Geschichte.)

Natürlich ist es anmaßend zu behaupten, das Wohl und Wehe des Senders hätte in diesen Momenten von mir, einer studentischen Aushilfskraft, abgehangen. Aber meine Macht war in der Tat nicht gering: Ich regulierte mittels eines großen Drehknopfs die Geschwindigkeit, mit der der elektronische Text vor Esers Hauptkamera ablief - und eine schlichte, schnelle Bewegung aus meinem Handgelenk hätte ihn zu einer Sprechgeschwindigkeit verdonnert, die eher einem Rapper geglichen hätte als einem distinguierten Journalisten. Im Nachhinein eine schöne Vorstellung, doch ich war mir meiner Verantwortung natürlich bewußt und gab Eser mit ruhiger Hand den Takt vor. Ohne Hast und mit gelassener Souveränität brachten Ruprecht und ich unseren Weg durch das Minenfeld der Technik und der Worte hinter uns.

Bedankt hat er sich übrigens nicht, der Herr Eser. Warum auch, er musste ja gleich darauf in die Kantine und mit dem Ministerpräsidenten anstossen. Ich mampfte derweil ein Frikadellenbrötchen und fand, ich hätte den historischen Moment souverän gemeistert.

4 Kommentare:

  1. Cute story... I was just round the corner at "Geh aufs Ganze". We laughed about the name "Die Stimme". Televised radio?

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  2. Ja, der Name - in nahezu allen Sendungsnamen kam ja auch VOX vor: PunktVox, Voxtours, VoxBox etc. Zum Namen gibt es hier übrigens die Hintergründe vom damaligen Pressesprecher:http://www.markenecho.de/2013/01/20-jahre-vox-wandel-und-kontinuitat.html

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  3. 2 Fragen, wenn es erlaubt ist:
    Was wäre es denn gewesen, das Schlimmste?
    Die Rapgeschwindigkeit, also SpeedVox?
    Und was hat er denn studiert, der Herr studentische Hilfskraft?
    fragt interessiert und mit freundlichsten und winterlichsten Grüßen eine Unstudierte

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  4. Liebe Frau Smilla, "das Schlimmste" in der Überschrift ist natürlich wieder eine meiner reißerischen, gnadenlosen Übertreibungen, um Menschen zur Lektüre meiner aufgeblasenen Belanglosigkeiten zu animieren.

    Aber gut, spielen wir es durch: "Das Schlimmste" wäre natürlich ein sprachloser, gar stotternder oder eben ein im Fast-Forward-Modus durch den Text hetzender Programmdirektor gewesen, ein fristlos entlassener Student inklusive.

    Studium? Das Leben! Und weil gerade nix anderes zu tun war, auch noch tote Menschen (Geschichte), Atomraketen samt Personal (Politik) und eine exotische Sprache (Germanistik).

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